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  • AutorenbildKathrin

Über den Opfersumpf und die Angst als Ratgeberin für Lebendigkeit




Das Assessment meiner Saboteur-Struktur im Rahmen des PQ-Programms hat ergeben, dass ich ein starkes Opfer, ein Tüpflischisser und eine Rastlose in mir habe. Wenn ich in der Opferrolle bin, empfinde ich mich den Umständen ausgeliefert. Es ist alles zuviel, niemand kümmert sich um mich, immer muss ich die uninteressanten Aufgaben übernehmen. Ja, solche Gedanken begleiten mich immer mal wieder und manchmal tauche ich auch so richtig schön in den Sumpf des Selbstmitleids. Manchmal erkenne ich die Abzweigung und kann entscheiden: Was will ich jetzt? Opfer sein, kenne ich gut. Da gibt es nicht viel Neues zu entdecken. Meine Handlungsmöglichkeiten sind beschränkt auf mich «schlecht fühlen», mich beklagen, mich zurückziehen und im Selbstmitleid versinken. Eine ziemlich unproduktive Sache. Kennst Du diese Momente des Rückzugs? Der Frustration? Der Faust im Sack?

 

Mittlerweile ist mir klar: wenn ich in der Opferrolle sitze, befinde ich mich auf der Landkarte des niederen Dramas. Nieder im Sinne von, dass die Anzahl meiner Möglichkeiten tief ist. Niederes Drama hat den Zweck, keine Verantwortung zu übernehmen. Wie soll ich auch, wenn ich mich damit identifiziere, dass alles ach so schwierig ist und ich eh nichts ändern kann?! Die Übernahme einer Rolle geht nämlich einher mit einem bestimmten Set an Denk-, Fühl- und Handlungsmustern. Wenn diese Muster aktiviert sind, sitze ich quasi in einem Bus, der mich an einen bestimmten Ort führt. Manchmal erkenne ich, dass ich wieder auf dem Weg ins Opferland bin und springe vom fahrenden Bus raus in eine unbekannte neue Welt. Opfersein hat den Vorteil, dass alles ziemlich vorausschaubar ist. Es ist ein Programm, das in meinem Hirn abläuft wie ein Spielfilm und ich weiss, dass nach der Frustration meist der Rückzug kommt und dann die Schokolade, Nüsse, Datteln und dann die Bauchschmerzen. Cashewnüsse funktionieren bei mir besonders gut, um nicht mit essen aufhören zu können. Wenn du mir bis hierhin gefolgt bist, sind dir diese Mechanismen höchstwarscheinlich bekannt und du kennst die bittere Süsse des Opfersumpfes. Und vermutlich bist du dir auch des Preises bewusst, den du dafür bezahlst. Denn die Vermeidung von Verantwortung geht oft mit der Minderung von Lebendigkeit und Lebensfreude einher.

 

Wenn du aus dem Bus rausspringst, ist es zuerst Mal schmerzhaft. Auszusteigen bedeutet, zu fühlen. Die Opferrolle hat ja auch zum Zweck, den Schmerz dahinter zu verdrängen. Wenn du aussteigst, wendest du dich deinem inneren Drama zu und schaust hin, was da eigentlich gerade los ist? Welche Stimmen melden sich? Welche Bedürfnisse sind gerade unerfüllt? Besteht der Schmerz aus Traurigkeit, Wut, Angst oder Freude? Jedes Gefühl hat eine Information für dich und hilft dir, deine nächste Handlung zu wählen. Denn du hast die Wahl. In jedem Moment hast du die Wahl und damit eine unendliche Anzahl an Möglichkeiten zur Verfügung. Das ist hohes Drama. Du kannst andere Menschen um Hilfe fragen, du kannst spontan verreisen, du kannst eine Freundin anrufen oder einfach sein, mit dem was gerade ist. Was auch immer dich unterstützt, etwas Neues zu probieren, anstatt im Opfersumpf stecken zu bleiben. Und ich spreche nicht von Ablenkungen, sondern von Aktivitäten, die dich in allen fünf Körpern nähren.

 

Auf meinem Weg haben mich Achtsamkeit und Possibility Management besonders unterstützt, neue Wege zu gehen. Ein Wendepunkt war, als ich erkannt habe, dass ich einen hohen Preis zahle, wenn ich darauf warte, dass andere mir helfen oder gar sagen, welchen Weg ich gehen soll. Ich habe über längere Phasen verpasst, mein Leben zu leben und habe versucht, in die Gesellschaft hineinzupassen, indem ich Karriere mache. Ich habe nicht die Verantwortung dafür übernommen, dafür zu gehen, was ich wirklich will, weil ich danach suchte, was sich überhaupt lohnt wollen zu wollen. Erst mit der Auseinandersetzung mit Wutarbeit wurde mir bewusst, dass ich so im Anpassungsmodus bin, dass ich gar nicht spüren kann, was ich will, weil ich diese Impulse der Lebendigkeit immer gleich wieder weggedrückt habe. Lebendig zu sein, ist gefährlich. Ich weiss nicht, was als nächstes kommt. Es hat eine Weile gedauert, bis mein System umgestellt hat, von Vermeiden und Anpassen hin zu Offenheit und Verbundenheit. Irgendwann wurde die Angst, mein Leben zu verpassen grösser, als die Angst, mich lächerlich zu machen und ausgestossen zu werden. Die Angst ist mir zu einer wunderbaren Ratgeberin geworden, um noch mehr Lebendigkeit zu entdecken.

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